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Mollath und die Skandale vor der Haustür

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Am Wochenende lehnte sich Nürnberg wieder für die Menschenrechte aus dem Fenster: Preisverleihung, Friedenstafel, Filmfestival, Luftballons, Sigmar Gabriel… Nicht dass ich nicht für faire Arbeitsbedingungen für die Näherinnen in Bangladesh wäre und mir das Essen bei der Freidenstafel nicht geschmeckt hätte. Trotzdem unterhielt ich mich lieber mit Gustl Mollath über jene Menschenrechtsverletzungen, die hierzulande passieren und gegen die der sieben Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie Festgehaltene seit seiner Entlassung vor zwei Jahren angeht.

Immerhin hatte Mollath aus der Psychiatrie auch Oberbürgermeister Urlich Maly um Hilfe gebeten. Ohne Erfolg. Aus Unterstützerkreisen wurde er für den erwähnten Nürnberger Menschenrechtspreis vorgeschlagen. Ebenfalls ohne Erfolg. Die Auseinandersetzung mit Fällen vor der Haustüre, in die vielleicht auch noch Parteifreunde involviert sein könnten, fällt eben schwerer als das Brandmarken von Menschenrechtsverletzungen weit weg.

Dabei kann sich auch Mollath durchaus auf internationale Unterstützer berufen. Etwa den UN-Sonderberichterstatter für Folter, Juan Mendez, der Isolationshaft und Zwangsmedikamentierung in der Psychiatrie als Folter bezeichnet hat. Mollath kennt zahlreiche Beispiele aus eigenem Erleben, wo genau das passierte. Aktuell regt ihn besonders der Fall von Martin R. auf, der 60 Tage lang in der Forensik des Isar-Amper-Klinikums in Taufkirchen dauerfixiert wurde. Dennoch wurde das Ermittlungsverfahren gegen die behandelnden Ärzte inzwischen eingestellt. R. wurde zwar mittlerweile nach Straubing verlegt, wird aber dort laut Mollath isoliert und mit Drohungen gefügig gemacht, so solle verhindert werden, dass er über seine Behandlung in Taufkirchen aussagt.

Beim Stichwort Straubing fällt Mollath dann auch gleich der Fall eines Somaliers ein. „Der ist vor zehn Jahren vor dem Bürgerkrieg geflohen und hier haben sie ihn regelrecht in den Irrsinn gespritzt.“ In Bayreuth habe er etwas Ähnliches mit einem Mann aus Afghanistan erlebt. „Dem haben sie sechs verschiedene Mittel gegeben, am Ende wollte er nur noch abgeschoben werden.“ Die Wirkungen dieser verschiedenen Medikamente („die Beipackzettel sprechen Bände“) seien noch gar nicht erforscht. Die Folge seien „irreparable Schädigungen“. Wer sich nicht freiwillig diese Medikamente verabreichen lasse, werde eingesperrt. Für Mollath ist eine derartige Zwangsbehandlung Folter, „die die Menschen zum Schweigen bringen soll“.

Den Einwand, dass es sich um Bezirkskrankenhäuser handele, die einer öffentlichen Kontrolle unterstehen, lässt der 58-Jährige nicht gelten. „Das ist lächerlich“, schimpft er. Da komme zwar jedes Jahr einmal eine Bezirkskommission um sich die Verhältnisse anzusehen. Das seien aber meistens Beamte, die ohnehin schon mit der Klinikverwaltung verbunden seien. Wenn man denen mit Menschenrechtsverletzungen komme, erhalte man zur Antwort: „Wir interessieren uns nur fürs Essen und die Zimmer.“ Einmal, erzählt Mollath, sei bei ihm sogar ein Blinder zur Inspektion aufgetaucht. Mollaths Fazit: „Da findet keine Kontrolle statt.“

Das will Mollath unbedingt ändern. Seit seiner Freilassung setzt er sich dafür ein, die Folter in unseren Bezirkskrankenhäusern zu beenden und die Kontrollen zu verbessern. Zu seiner eigenen Situation ist er hingegen weniger auskunftsfreudig. Er wohne nach wie vor bei Freunden. Finanziell und juristisch hänge er noch in der Luft. Gegen seinen „nur drittklassigen Freispruch“ hat er bekanntlich Revision angekündigt. Die liegt jetzt beim Bundesgerichtshof. „Die können sich damit so viel Zeit lassen, wie sie wollen“, zuckt Mollath mit den Schultern. Auch das ist eigentlich ein Skandal.


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